Du bist (angehende*r) Kinderbuchautor*in und hast eine Idee für ein Bilderbuch im Kopf, die du schon immer mal aufs Papier bringen wolltest? Dann kommen hier meine 11 Tipps für lebendige Bilderbuchtexte:
1) Show, don’t tell.
Diese grundlegendste aller Schreibregeln für Romanautor*innen – zeigen statt erklären – gilt auch (oder sogar ganz besonders!) für Bilderbücher. Denn langwierige Beschreibungen langweilen nicht nur die kleinen Leser*innen, sondern haben auf den wenigen Doppelseiten eines Bilderbuchs schlicht keinen Platz. Verdichte deinen Text also so weit, bis wirklich jeder Satz bedeutsam ist. Überlege gut, welche Informationen und Handlungen stattdessen durch die Illustration erzählt werden können – denn das „zeigen“ lässt sich natürlich wunderbar über die Bilder lösen. Und denk daran, dass du als Autor*in manchmal auch durch das Weglassen und Nicht-Sagen sehr viel ausdrücken kannst.
2) Nutze die Dramaturgie der Doppelseiten.
Bilderbücher werden in den allermeisten Fällen auf vollflächig illustrierten Doppelseiten erzählt, und zwar in der Regel auf 12 bis max. 15 Doppelseiten. Es macht also Sinn, das Manuskript von Anfang an in Doppelseiten aufzuteilen. So kannst du die spätere Textmenge pro Seite besser einschätzen und dir bereits im Schreibprozess Gedanken darüber machen, ob sich der Text auch gut auf einer Seite bildlich darstellen lässt. Die Bilder beim Schreiben bereits mitzudenken – auch (oder gerade) wenn man sie nicht selbst illustriert – ist ohnehin eine gute Idee. So kannst du z. B. den Effekt des Umblätterns dramaturgisch einsetzen, um einen Spannungsbogen aufzulösen, ein Geheimnis zu lüften, den Schauplatz zu wechseln oder eine neue Figur vorzustellen. Wichtige Informationen, die nur über die Illustration transportiert werden sollen, kannst du als „Regieanweisungen“ ((in doppelten Klammern)) oder kursiv unter dem Text ergänzen. Denn ein Bilderbuchtext soll keineswegs all das beschreiben, was im Bild passiert – oder umgekehrt. In einem echten „Lieblingsbilderbuch“ komplementieren sich Text- und Bildebene zu einem stimmigen Ganzen.
3) Passe Thema und Alter der Figuren an deine Zielgruppe an.
Bei Kinderbüchern gilt die Regel, dass der*die Protagonist*in etwa ein bis zwei Jahre älter sein sollte als die angesprochene Zielgruppe. Im Bilderbuch muss dieser Abstand nicht ganz so groß sein – denn in 1–2 Jahren stecken schon allerhand Entwicklungsschritte! Dennoch kann die handelnde Figur ruhig etwas älter sein als die Zielgruppe. Ein Kind im letzten Kindergartenjahr wird z. B. sehr gerne etwas darüber hören, was der*die Protagonist*in am ersten Schultag erlebt …
4) Unterschätze nie den ersten Satz!
Hol deine Leser*innen schon mit dem ersten Satz ab und entführe sie in deine Bilderbuchwelt. Kinder sind ehrliche Kritiker*innen, deren Neugierde du von der ersten Seite an wecken und aufrechterhalten musst. Halte dich also nicht mit allzu langen Erklärungen, Figurenbeschreibungen oder Hintergrundinfos auf, sondern steig direkt in die Handlung ein.
5) Gib deinen Figuren eine Stimme.
Setze gezielt Dialoge ein, um deinen Text aufzulockern und lebendiger zu machen. Wenn deine Figuren sprechen, verleihe ihnen eine eigene Stimme, die zu ihrem Charakter passt, und unterstütze die Vorleser*innen dabei, diesen Charakter zu erfassen und in ihr lautes Lesen zu übernehmen. Behalte trotzdem im Blick, dass deine Dialoge nicht zu lang und komplex werden. Man sollte immer klar zuordnen können, wer gerade spricht! Dennoch benötigt nicht jede wörtliche Rede einen Begleitsatz (eine so genannte Inquit-Formel), wie zum Beispiel „Teddy sagte: …“ oder „…, fragte Teddy überrascht.“ Tauchen zu viele davon in deinem Text auf, liest sich das nämlich ganz schön anstrengend und wirft die Vorleser*innen ständig aus der Rolle. Kurz gesagt:
6) Schreib, wie du sprichst, …
Das macht deine Sätze viel lebendiger, authentischer und oft auch verständlicher.
7) … aber sprich auch, was du schreibst.
Denn ein Bilderbuch ist zum Vorlesen gedacht! Laut gelesen wirken Sätze oft ganz anders als beim stillen Lesen. Lies dir deine Geschichte – bzw. einzelne Passagen – also schon während des Schreibens immer wieder laut vor.
8) Kinder lieben (gute) Reime.
Lieblingsbücher in eingängigen Versen können auch von den Kleinsten schon bald auswendig mitgesprochen werden. Reime fördern das Sprachgefühl und die phonologische Bewusstheit, regen die Kreativität an und machen Spaß – aber nur, wenn sie gut gemacht sind. Achte bei gereimten Texten daher unbedingt auf ein durchgängiges Reimschema (z. B. AABB) und den letzten Feinschliff, sonst wird der Text schnell zur Stolperfalle. Gute Reime brauchen oft Zeit! Bring also, sobald du die erste Fassung zu Papier gebracht hast, Abstand zwischen dich und dein Manuskript. Nimm es erst nach einigen Tagen wieder zur Hand, such dir einen ruhigen Ort und lies den Text laut und ausdrucksstark vor – ohne ihn vorab schon im stillen Lesen wieder zu überfliegen. Markiere nun alle Stellen, die du nicht im ersten Versuch flüssig gelesen hast. Und dann arbeite daran. Denn das Problem ist, dass du im Schreibprozess auch das Vorlesen der Reime „einübst“ und dir für potenzielle Stolperstellen einen eigenen Leserhythmus antrainierst.
9) Erfinde etwas Neues …
Kreative Wortfindungen, Alliterationen (selber Anlaut in zwei oder mehr aufeinander folgenden Wörtern, z. B. „der alberne Alligator“) und Lautmalereien (z. B. „rummms!“) machen großen Spaß beim Vorlesen – wenn sie gut zur Geschichte passen. Setze diese Stilmittel bewusst ein, übertreibe es aber nicht, sonst können sie auch (ungewollt) albern wirken.
10) … oder wiederhole dich bewusst.
Sich wiederholende Elemente im Text (z. B. ein bestimmter Ausruf oder eine Frage) sind gerade für jüngere Kinder ideal, da sie der Geschichte eine gewisse Struktur geben und die jeweilige Phrase schon bald auswendig mitgesprochen werden kann.
11) Bitte erfahrene Vorleser*innen um Hilfe.
Wenn du dir unsicher bist, ob sich deine Geschichte – sowohl inhaltlich als auch sprachlich – für die geplante Zielgruppe eignet, können dir Testleser*innen weiterhelfen. Das können Pädagog*innen oder Eltern aus deinem Bekanntenkreis sein, die Erfahrung mit dem Vorlesen sowie mit Kindern im Kindergartenalter haben. Häufig können deine Testleser*innen bereits aus der eigenen (Vor-)Leseerfahrung heraus eine erste Einschätzung zum Text geben. Natürlich könnten sie den Text auch direkt an der Zielgruppe ausprobieren, allerdings fehlen an diesem Punkt ja meist noch elementare Bestandteile eines Bilderbuchs: Die bunten Illustrationen sowie – auch nicht zu unterschätzen! – die Haptik eines gebundenen Buchs.
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Dieser Blogartikel ist ein Auszug aus meinem Leitfaden »Von der Idee zum Lieblingsbilderbuch«, der Teil meiner Lektoratspakete für Autor*innen, Illustrator*innen und Selfpublisher*innen ist. Neugierig geworden? Hier kannst du mehr erfahren.
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